Der kleine Vampir und die Frage aller Fragen, Rowohlt Verlag

Ein durch und durch gelungenes Finale
Rezension von Andy Winkler

1979 erblickte „Der kleine Vampir“ das Licht der Bücher-Welt. Vor gut sieben Jahren erschien mit „Der kleine Vampir und die letzte Verwandlung“ der 20. und eigentlich letzte Band der Geschichten um Rüdiger von Schlotterstein, dessen Schwester Anna und ihren Menschenfreund Anton Bohnsack. Doch wie so oft im Leben kommt manches anders, als gedacht - und mit „Der kleine Vampir und die Frage aller Fragen“ das nun endgültige Finale.

In „Die letzte Verwandlung“ wurde Anna als Nachfolgerin von Elisabeth der Naschhaften zur „Obervampirin“; eine Stellung, die Verantwortung mit sich bringt und Zeit beansprucht. So hat Anton seine Vampirfreunde seit nunmehr „7 mal 7 mal 7“, also 343 Nächten nicht mehr gesehen. Vieles hat sich während dieser Zeit in Antons Leben verändert.
„Vor fünf Tagen hatten für Anton die Sommerferien angefangen. Doch diesmal war alles anders. Nach einem furchtbaren Ehekrach hatten sich Antons Eltern getrennt, und nun wohnte er abwechselnd bei seinem Vater in der alten Wohnung und bei seiner Mutter in ihrer neuen Wohnung.“

Anton ist lustlos und weiß mit sich nichts anzufangen. Meist liegt er faul herum und „starrt Löcher in die Luft“, wie sein Vater es ausdrückte. Doch das ändert sich, als Anna (die sich zwischenzeitlich im rumänischen Herkulesbad aufgehalten hatte) in Antons Zimmer landet und ihn bittet, den Sommer mit ihr zu verbringen.
Obwohl Antons Eltern auch nach all seinen Bemühungen dem nicht zustimmen, entschließt er sich dazu, Annas Einladung trotzdem anzunehmen und sie bei der alten Kapelle zu treffen...

Während Anton diesen Schritt unbeirrt umsetzt, stellt ihn hingegen „die Frage alle aller Fragen“ vor eine weitaus schwierigere - und endgültige - Entscheidung.
„Die Frage aller Fragen muss in ihrer althergebrachten, überlieferten Form gestellt werden. Kein einziges Wort darf verändert werden.“ Dreimal kann die Frage aller Fragen gestellt werden, danach jedoch nie wieder...
Anton fühlt sich hin und her gerissen - zwischen seinen Eltern ebenso, wie auch zwischen seinem Leben (in dem er Anna letztendlich entwachsen würde) und der Welt der Vampire.
Aber will er selbst Vampir werden?

Anna führt ihn zur „Villa Mitternacht“, wo er Klara kennenlernt, eine junge Frau, die kein Sonnenlicht verträgt, und ihren Vater, den Professor...

Natürlich treffen wir im letzten Band - neben Rüdiger, Anna und Anton - mit Lumpi, Olga von Seifenschwein, Tante Dorothee oder Großtante Brunhilde auch auf weitere alte Bekannte. Noch dazu gelingt es Tante Dorothee und Olga, Anton zu entführen...

Und was hat es mit der „verbotene Salbe“ aus einer verschütteten Grotte in Herkulesbad auf sich, mit der Anna ein geheimnisvolles Zeichen auf Antons Stirn malt? Ein unsichtbares Zeichen, das bei Erregung sichtbar wird und leuchtet und das für Anton „Das Tor zur Welt der Vampire“ öffnet...

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Mit 240 Seiten hat „Der kleine Vampir und die Frage aller Fragen“ erfreulicherweise rund 100 Seiten mehr, als die bisherigen Bände. Auch die edel wirkende, silbern glänzende Optik des Einbands macht die finale Ausgabe nochmals zu etwas Besonderem. Zumal diese, entgegen der bisherigen regulären Bücher, nicht als Taschenbuch, sondern gebührend als gebundene Hardcover-Edition aufgelegt wurde.

In der von ihr gewohnten Art charakterisiert Angela Sommer-Bodenburg in „Die Frage aller Fragen“ Situationen, Orte und Stimmungen gekonnt bildhaft, wodurch es dem Leser gelingt, in die Geschichte einzutauchen.
„Eine Villa, die größer und düsterer als die anderen war, hatte Anton besonders fasziniert. Sie stand inmitten eines verwilderten Gartens hinter einem rostigen Eisenzaun. Efeu rankte sich bis zu ihrem Dach hinauf, und immer waren die Holzläden vor den Fenstern geschlossen. (...) In der Villa war es auffallend kühl und ein merkwürdiger Geruch erfüllte die Luft, eine Mischung aus Kräuterdüften, Staub und Moder. (...) Auch das Badezimmer strahlte eine altertümliche Eleganz aus. Die Kacheln sahen wie handbemalt aus, die Armaturen waren vergoldet, und es duftete nach teurer Seife und Rasierwasser.“
Als Anton sich in der Bibliothek des Professors die seidenen Handschuhe überstreift, um beim Lesen der seltenen Büchern keine Fingerabdrücke auf den „dünnen, vom Alter vergilbten Seiten“ zu hinterlassen, benennt Angela Sommer-Bodenburg ebenso Titel, Erscheinungsjahr und Verfasser der antiquarischen Schriften.

Auch wenn die Trennung von Antons Eltern - eine Situation aus dem wahren Leben, in die sich viele Kinder hinein versetzen können - Bestandteil des Buches ist und Antons Gefühlslage sowie sein Verhalten in „Die Frage aller Fragen“ mitbegründen, werden die Trennungsgeschichte und deren Hintergründe nicht mehr als nötig ausgeweitet und vertieft, so dass sie die eigentliche Handlung nicht überlagern.

„Manchmal verstehen wir unsere eigenen Wünsche nicht. Und wenn die Wünsche sich dann melden, schrecken wir vor ihnen zurück.“ (Anna von Schlotterstein)
Früher war Anton fest entschlossen, kein Vampir zu werden. Aber heute, nachdem er älter ist und sich sein ganzes Leben im Wandel befindet? Zumal er seit dem Biss durch Olga von Seifenschwein und der Berührung mit dem Schwert Mjerkur in „Der kleine Vampir und die letzte Verwandlung“ bei der Benutzung von elektrischen Geräten, wie Handys oder Computern, Kopfschmerzen bekommt?
„Ich war ja schon immer etwas anders als die anderen. Aber jetzt bin ich der totale Außenseiter.“
Wie wird Anton sich entscheiden - immerhin mit dem Wissen, dass diese Entscheidung endgültig sein wird?

Fazit:
Meine  Neugierde, wie es ausgehen würde, war sehr groß und je mehr sich die Geschichte dem Ende näherte, umso ungeduldiger wurde ich. Ich musste mich regelrecht zwingen, in Ruhe weiter zu lesen.
Mit Band 21, Der kleine Vampir und die Frage aller Fragen, endet die Buchreihe nach nunmehr 36 Jahren mit einem überaus gelungenen und würdigen Finale.
Ein Muss für jeden Fan und Liebhaber des kleinen Vampirs, der gemeinsam mit den Charakteren älter geworden ist und nach dem offenen Ende von Band 20 stets das Gefühl hatte, dass hier „noch etwas zum Abschluss fehlt“.
Wieder passend und liebevoll von Amelie Glienke illustriert sowie mit stimmiger Handlung und kleinen Rückblicken auf vergangene Ereignisse, gehört das Buch inhaltlich und mit diesem Finale für mich persönlich mit zu den besten Bänden des kleinen Vampirs.

Andy Winkler, www.Gruft-der-Vampire.de



Sommer-Bodenburg, Angela: Der kleine Vampir und die Frage aller Fragen
Rezension von Dr. phil. Sabine Planka
 
Der kleine Vampir ist zurück – und mit ihm die Frage, ob Anton zum Vampir werden will oder nicht. Angela Sommer-Bodenburg liefert mit Der kleine Vampir und die Fragen aller Fragen den Abschluss der geradezu als legendär zu bezeichnenden Vampirreihe über Anton Bohnsack und seine vampirischen Freunde Rüdiger und Anna von Schlotterstein.
 
Inhalt
Angela Sommer-Bodenburg knüpft mit dem Abschlussband ihrer Vampirreihe nahtlos an den 2008 erschienenen Band Der kleine Vampir und die letzte Verwandlung. Anton, immer noch gezeichnet durch den Biss, den ihm Olga Fräulein von Seifenschwein bei der Vampirzeremonie verpasst hat, um ihn in einen Vampir zu verwandeln – elektromagnetische Impulse bereiten ihm Kopfschmerzen, allzu grelles Licht meidet er, da seine die Augen mitunter schmerzen –, lebt inzwischen abwechselnd mal bei seinem Vater, mal bei seiner Mutter: Seine Eltern haben sich getrennt, sowohl Antons Vater als auch seine Mutter haben mit ihrem neuen Lebensgefährten jeweils neue Beziehungen. Zudem hat Anton seit 343 Nächten nichts von Rüdiger und Anna gehört – da sitzt Anna plötzlich nachts auf seinem Fensterbrett und bittet ihn, seine Sommerferien mit ihr zu verbringen. Ein Angebot, über das Anton nicht lange nachdenken muss, ist seine Mutter doch mit ihrem neuen Freund in die Berge gefahren und sein Vater arbeitet bis spät in die Nacht. Da erscheint es verlockend, die Ferien mit Anna zu verbringen. Als seine Eltern diesen Vorschlag jedoch ablehnen, macht sich Anton heimlich aus dem Staub und fliegt zu Anna, die inzwischen im Gewölbekeller in der Villa von Professor Brunner wohnt. Dessen Tochter Klara leidet unter einer besonderen Form der Lichtempfindlichkeit, die – zufälligerweise – nur durch ein Vampirmädchen, das vor Eintritt der Pubertät gebissen worden ist, kuriert werden kann.
 
Um Anton vor den anderen Vampiren zu schützen, malt Anna ihm ein Schutzzeichen der Vampirin Olivia von Ohnegleichen auf die Stirn, das vom Professor zunächst als Gefahr für die Vampire interpretiert wird – nicht ganz uneigennützig, sieht er doch die Hilfe für seine Tochter, die ihm Anna bietet, in Gefahr. Schließlich erkennt er, dass Anton keine Gefahr für die Vampire und besonders für Anna ist, sondern dass das Zeichen Antons eigenem Schutz dienen soll.
 
Im Zentrum steht jedoch die für Anton alles und damit lebensverändernde Frage, die Anna ihm drei Mal stellen kann, bevor er sich endgültig entscheiden muss: Will Anton ein Vampir werden oder nicht?
 
Kritik
In Der kleine Vampir und die Fragen aller Fragen versammelt Angela Sommer-Bodenburg final die Akteure, die dem Leser schon im ersten Band um den kleinen Vampir begegnet sind: Anna von Schlotterstein, Rüdiger, Anton, Tante Dorothee – und selbst Olga Fräulein von Seifenschwein gibt sich ein Stell-dich-ein. Vor dem Hintergrund der Trennung von Antons Eltern entwickelt sich der Vampirclan, besonders dessen jüngere Mitglieder, für Anton dementsprechend zu einer Ersatzfamilie, die ihn aufnimmt, als er sich seiner biologischen Familie nicht mehr zugehörig fühlt, sondern miterleben muss, dass er in den Lebensplanungen seiner Eltern immer weniger eine Rolle zu spielen scheint. Was – hinsichtlich der Realisierung von Familienstrukturen und -planungen – nur schwer vorstellbar erscheint, macht aus narrativer Perspektive Sinn und lässt Antons Entscheidung, Vampir werden zu wollen, überzeugend werden und wirken. Für den Leser wird ohnehin die Vampirgeschichte im Fokus stehen: Er wird wissen wollen, wie Antons Entscheidung ausfällt und ob sich jemand zwischen ihn und 'seine' Vampire stellen wird.
 
Die Figuren, die Sommer-Bodenburg dem Leser präsentiert, überzeugen auch in diesem Band in ihrer Konzeption und treiben die von einem heterodiegetischen Erzähler erzählte Geschichte voran, die narrativ in mehrerer Hinsicht anschlussfähig ist: Zum einen führt Sommer-Bodenburg die Erzählungen um Anton, Rüdiger und Anna nahtlos fort und bringt somit nicht nur die hier erzählte Geschichte, sondern die ganze Reihe zu einem logischen Ende. Zum anderen knüpft Sommer-Bodenburg an andere Vampirerzählungen an: Das Thema des Blutsaugens als medizinische Therapie findet sich bereits in Renate Welshs Das Vamperl, wo das kleine Vamperl bösartigen Menschen Gallensaft absaugt und zu umgänglichen Zeitgenossen macht, und wird somit verbunden mit dem Aderlass – den Sommer-Bodenburg hier auch direkt als Referenz einbaut – und die Humoralpathologie (auch als Vier-Säfte-Lehre bezeichnet), die bis ins 19. Jahrhundert hinein wirksam für die Medizin bleib, um einen Ausgleich der Sätze im menschlichen Körper und somit auch einen Ausgleich des menschlichen Gemüts zu erzielen.
 
Besonders mit ihrer Figur Anna von Schlotterstein hat Angela Sommer-Bodenburg eine Protagonistin entworfen, die sich im Laufe der gesamten Buchreihe zu einer selbstbewussten Persönlichkeit entwickelt, wie der Leser im abschließenden Werk erkennen kann. Hatte Anna früher noch ihre Milchzähne und hat daher auch nur Milch getrunken, ist sie inzwischen zu einem echten Blutsauger mutiert, der zudem den Vampirclan leitet. Sich ihrer Leitungsposition bewusst, ist sie immer unterwegs, schlichtet Unstimmigkeiten zwischen einzelnen Familienmitgliedern und kümmert sich zusätzlich um Anton, den sie in ihre Familie integrieren will. Für Leserinnen wird hier deutlich eine Identifikationsfigur geschaffen, die sich zu behaupten weiß und die ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft ausführt, ohne dabei altbacken oder unmodern zu wirken.
 
Im Zentrum aller Erzählungen – und das macht sie zu besten Abenteuergeschichten – stehen jedoch natürlich Anton und Rüdiger und ihre Erlebnisse, sei es auf dem Bauernhof, im Jammertal, an Weihnachten oder gar mit Rüdigers 'Vampirsippe', die die Geschichten gleichzeitig zu einer Freundschaftsgeschichte zwischen einem Menschen und einem Vampir werden und den Leser wohlig gruseln und mitfiebern lassen.
 
Daher erscheint es nur konsequent, dass sich um den kleinen Vampir ein ganzer Medienverbund entwickelt hat, aus dessen literarischem Kern sich Hörspiele, Musicals, Theaterstücke und Verfilmungen sowie Fernsehserien – bekannt dürfte wohl besonders Gert Fröbe als Friedhofswärter Geiermeier sein – entwickelt haben, die ebenfalls populär geworden sind. Es ist zu erwarten, dass sich auch der letzte Band in diesem Medienverbund wiederfinden und von Leser, Zuschauern und Hörer rezipiert werden wird.
 
Fazit
Angela Sommer-Bodenburg liefert mit Der kleine Vampir und die Fragen aller Fragen einen schönen und würdigen Abschluss für eine Buchreihe, von der sich Leser aller Altersstufen, die wahrscheinlich mit den Geschichten mitgewachsen sind, wünschen, dass sie ewig weitergeht.
 
Dr. phil. Sabine Planka, über www.kinderundjugendmedien.de
 

 

Drei Fragen zum Traumfinale
Mit dem 21. Band versucht Angela Sommer-Bodenburg einen endgültigen Abschluss der Reihe „Der kleine Vampir“
Rezension von Niels Penke

20 Bände lang zeichnete sich Angela Sommer-Bodenburgs Reihe Der kleine Vampir vor allem durch eines aus: Verlässlichkeit. Weder gab es große Veränderungen im Personal noch alterte dieses merklich oder fanden die gesellschaftlichen, technischen und medialen Veränderungen zwischen 1979 und 2008 einen spürbaren Wiederhall in den Romanen. Ein Großteil des Erfolges beim mitgewachsenen Publikum mehrerer Kindheitsgenerationen dürfte darin begründet liegen: In der konservierten heilen Mietwohnungsweltordnung der 1980er-Jahre, deren sonstige literarische wie filmische Repräsentationen inzwischen längst das Zeitliche gesegnet haben und allenfalls in nostalgischen Rückblicken für einen Moment wiederkehren. Auch die nahezu unveränderte Erzählweise Sommer-Bodenburgs, die im Unterschied zu J.K. Rowling und Harry Potter bislang weder an Umfang noch an Drastik je zugelegt hatte, trug zur verlässlichen Wiederkehr des 20-mal Ähnlichen bei.

Angesichts dieser Ausgangslage ist es eine äußerst mutige Entscheidung, aus dem selbstangelegten Korsett auszubrechen, was bereits der fast doppelte Umfang von 232 Druckseiten andeutet. Und auch die Brüche, die den neuen Band leitmotivisch durchziehen, hätten kaum radikaler inszeniert werden können. Bereits die erste Szene eröffnet mit gleich mehreren Überraschungen: Antons Eltern, deren Abneigung gegen Vampire stets die Grundspannung der Romane ausgemacht hatte, haben sich getrennt – und die vormalige Kleinfamilien-Idylle, deren Enge Anton immer wieder mit Büchern und nächtlichen Abenteuern zu entfliehen suchte, ist zerbrochen. Während die Mutter bereits ausgezogen ist und mit ihrem neuen Freund Urlaub macht, verbringt Anton seine Ferien beim in der gemeinsamen Wohnung zurückgebliebenen Vater, der lange arbeitet und daheim einen trostlosen Jogginghosen-Lifestyle zwischen Sofa, Fernseher und Mikrowellenessen pflegt. Anton, ansonsten besonders oft zu Romanbeginn als eifriger Leser gezeigt, starrt zum 21. Auftakt lediglich traumatisiert vom Bett aus an die Decke – und wartet.

Dieser statischen Exposition sind noch weitere gravierende Veränderungen eingeschrieben. Denn seit dem Biss durch Olga im 20. Band, der an Anton zwar nicht die im Titel attribuierte ‚letzte Verwandlung‘ vollzogen hat, ist er dennoch Vampir-ähnlicher geworden, was sich gerade in alltäglichen Situationen für Anton nachteilig äußert. Sein Handy  fasst er aufgrund einer Unverträglichkeit nur wiederwillig an und im Gegensatz zum Rest seiner Schulklasse benutzt er im Unterricht kein Tablet. – Was sich als trivialer Befund leicht überlesen ließe, ist nichts anderes als eine Revolution der erzählten Welt vom ‚kleinen Vampir‘, in der es mit Buch, Fernseher und Kassettenrecorder des Ausgangsjahres 1979 keine medialen Anpassungen gegeben hatte. Somit ist bereits hierin die große Veränderung beschrieben, die Anton seiner alten Welt halb entrückt und einem neuen Zwischenzustand zugeführt hat, den zu meistern ihm anfangs nicht gelingt. Dies zu lesen, ist nach den Jahrzehnten der Fortschrittsresistenz irritierend. Aber überaus folgerichtig, wenn es Sommer-Bodenburg ernst meint mit dem Ende der Reihe.

Nach 343 einsamen Nächten erhält Anton neuerliche Besuche der Vampire Anna und Rüdiger. Er entflieht seinem Elternhaus indem er vorgibt, mit Annas Familie in den Urlaub zu fahren, stattdessen aber mit Anna in der Villa eines befreundeten Professors und dessen Tochter wohnt. Hier ist es dem erhöhten Umfang des Bandes zu verdanken, dass mehr Raum für Beschreibungen, Namen und Details ist. Auch wenn sich die Reihe seit jeher durch vielzählige Verweise und Anspielungen auf Klassiker der phantastischen Literatur auszeichnete, findet dieses Motiv in der Bibliothek des Professors, die eine eigene vampyrologische Sammlung beinhaltet, seine Vollendung. Auch, weil diese Antons altes Interesse an Literatur wiedererweckt.

Ohne Spoiler ist der weitere Verlauf kaum zu besprechen, denn alles läuft auf die entscheidende Frage zu – ob Anton zum gemeinsamen ewigen Leben mit seinen Vampirfreunden übergehen oder Mensch bleiben wird. Die Antizipation der möglichen Enden – Anton willigt ein und wird ebenfalls zum Vampir, oder er verneint und verprellt Anna und Rüdiger dadurch – stehen im Mittelpunkt von Antons Denken. In der Reflexion seiner Möglichkeiten, die sich bereits in früheren Büchern findet, ist Anton jedoch zunehmend konservativer und, paradoxerweise, daher für die letzte Verwandlung stetig empfänglicher geworden. Ins alte Leben zurückzumüssen, erscheint nunmehr als Horrorvision, weil er die durch die neuen Beziehungspartner seiner Eltern und Geschwister angedeuteten Veränderungen seines gewohnten Alltags fürchtet. Demgegenüber gewinnt die Ewigkeit einer garantierten Veränderungslosigkeit in guter Gesellschaft seiner Vampirfreunde an Attraktivität.

Den alles verändernden, revolutionierenden Schritt zu wählen, um den ewigen Gleichlauf der Fortexistenz dadurch zu sichern, der erst durch die gravierende Erfahrung der Trennung seiner Eltern eingeleitet wurde, ist gleichbedeutend für den Zusammenbruch einer alten, heilen Welt – aus deren traurigen Resten sich Anton zu erretten sucht.   

Das Leben mit den Vampiren hatte immer etwas Traumhaftes. Ohne das Wissen(-wollen) seiner Eltern führte Anton von Anfang an ein eigenes, der Alltagswelt abgewandtes zweites Leben, dessen Dunkelheit wiederholt als große Verheißung eines Erwachens angeklungen war. Die dazu notwendige Frage aller Fragen, ein zentrales Motiv zwischen Anton und den Vampiren, wird auf dem Weg zum „Finale“ noch dreimal gestellt. Antons Antwort indessen lässt ein endgültiges Ende der Reihe ebenso plausibel scheinen wie einen ganz neuen Anfang.

Niels Penke, www.literaturkritik.de