Ein vielschichtiges Phantasie-Abenteuer
Rezension von Andy Winkler
„Diesmal wirst du nicht entkommen, Lady Esther!“, sagte Lord Soledad und seine Stimme bebte vor Zorn. „Ich werde dich in den tiefsten, finsteren Kerker meines Schlosses werfen.“ Jeremy war vertieft in das Spiel seines Schattentheaters, als eine hohe, schrille Stimme ertönte und ihn aus seinen Gedanken riss. „Sie klang wie die Stimme von Lady Esther, doch sie kam aus einem anderen Zimmer.“
Es war Jeremys Stiefmutter Rita; und schneller als es ihm
lieb war wurde er zurück in die Realität geholt.
„Jeremys Mutter war vor zwei Jahren gestorben, als er neun war. Ein Jahr später
hatte sein Vater Rita geheiratet“.
...Jeremy vernahm
„ein Reißen, gefolgt von einem Krachen und Knirschen.
Als er den Arm sinken ließ, sah er voller Entsetzen, wie Rita auf seinem
Schattentheater herumtrampelte.“ „Jeremys Augen fingen an zu brennen, doch es
kamen keine Tränen. Nach dem Tod seiner Mutter hatte er sich jeden Abend in den
Schlaf geweint. Aber eines Tages war er ganz leer und ohne Tränen gewesen und
seit dem hatte er nie wieder geweint.“
Jeremy Golden – er ist der traurige, schmerzerfüllte und
tapfere Held dieser Geschichte. Und er traut seinen Augen kaum, als unmittelbar
nach dem Streit mit seiner Stiefmutter eine sonderbare Gestalt in einem Zimmer
auftaucht – Finlay McCain. „Alles an diesem Mann war
grau: seine Haut, seine großen ausdrucksvollen Augen, seine Lippen, sein kurzer
Spitzbart, sein halblanges, leicht gewelltes Haar, sein Anzug, sein Hemd, seine
Stiefel, seine Hände – ja, sogar seine Fingernägel.“
Und Finlay McCain macht Jeremy das Angebot, ihn nach Greyland zu
begleiten; ein Ort zu dem nur wenige gelangen können; ein Ort, welcher jede
Farbe verloren hatte. „...bei uns ist alles grau. Aber
du, Jeremy Golden, könntest die Farben für uns zurück erobern.“
Hier beginnt Jeremys Reise; ein Abenteuer in einer fremden Welt, in der alles grau und trüb ist, so wie in Jeremys Inneren – grau und trüb vor Trauer und Schmerz. Eine Welt, die ihre Farben erst dann zurück erlangen kann, wenn auch in Jeremy die Farben und die Lebensfreude wieder erwachen. Eine Welt, die sich durch Jeremys Hilfe - auf der Suche nach der goldenen Farbpalette und dem Meister der Schatten - von Greyland wieder in Iris verwandeln soll...
...Finlay trat ans offene Fenster.
„Aber wir wohnen im zweiten Stock“, sagte Jeremy erschrocken. „Ich glaube nicht,
dass ich so tief sprigen kann!“ „Du brauchst nicht zu springen“, sagte Finlay.
„Wir werden fliegen!“
An dieser Stelle lernt Jeremy „Rory Fireball“ kennen. Und Rory Fireball
ist kein Mensch – sondern ein Drache. Genauer gesagt ein junge Drachin, welche
Jeremy ab sofort durch die phantastische Geschichte begleitet. Und das Abenteuer
ist erst am Anfang...
Das Theater der lebenden Schatten, der Drachenfelsen, No Man’s Land, das Meer der verlorenen Seelen, die Möwenklippen, Ghost Mountain oder Sky City sind nur einige Orte, welche Jeremy Golden, Rory Fireball und das geheimnisvolle Mädchen Ivy mit ihrer magischen Tasche auf ihrer Suche durchqueren. Auf ihrer Reise widerstehen sie Versuchungen, meistern gefährliche Situationen, treffen Tiere, eine Schamanin und Jeremy, der zu seiner Verwunderung in den fremden Ländern die Sprache der Tiere versteht, trifft sogar seine verstorbene Mutter...
„Jeremy Golden und der Meister der Schatten“ ist eine
Geschichte, welche grandios und fantasievoll geschrieben jeden Leser in seinen
Bann zieht und in ihre Dichte und Tiefe abtauchen lässt. Ihre Lebendigkeit lässt
phantastische Bilder entstehen.
Doch „Jeremy Golden und der Meister der Schatten“ ist viel mehr, als „nur“ ein
Phantasie-Roman; es ist eine vielschichtige Erzählung, welche viele Hintergründe
beeinhaltet. Angela Sommer-Bodenburg ist es in diesem Buch wieder einmal
gelungen, Stimmungen und Stimmen lebendig zu beschreiben („sein
Kichern klang, als würde ein Tamburin geschlagen“)
und Zusammenhänge verständlich und nachvollziehbar zu verknüpfen. So spürt man
bereits beim Lesen der Einleitung förmlich Jeremys Wut, Hilflosigkeit und
Schmerz.
Jeremy begleitet Finlay McCain nach Greyland - ohne
wirklich zu wissen, was ihn dort erwartet. Aber dieser Schritt, diese Flucht
gewissermaßen, ist für jeden nach dem Lesen dieser Einleitung absolut
nachvollziehbar.
Auch die Melancholie in Greyland wird – durch die dortige verlorene Lust am
Essen und dem vergangenen Spaß am Spielen - sehr anschaulich geschildert.
Jeremy fällt als sehr intelligenter Junge auf; seine Erlebnisse zuhause haben ihn trotz aller Schmerzen nicht abstumpfen lassen. Ob auf den Möwenklippen bei der garstigen Riesenmöwe Kriska oder gegenüber „die Herrin Katharga“ in Sky City – Jeremy Golden sind die einzelnen Situationen sehr bewusst; er weiß mit ihnen umzugehen und ihm gelingt es wiederholt, durch geschickte Fragen und Antworten seinem Ziel immer ein Stück näher zu kommen.
Immer wieder wird Jeremys Entschlossenheit sein Ziel zu erreichen verdeutlicht; auch durch sehr eindringliche Darstellungen, welche den Leser förmlich fesseln und ihn die Geschehnisse in jeder ihrer – durch Verlust und Verletzung auch schmerzhafen - Einzelheiten miterleben lassen.
Auffällig oft taucht das Element des Fliegens (Vögel, Ballon, Drachen...) in der Geschichte auf. Durch den Flug können Jeremy, Rory und Ivy an Orte gelangen, die andernfalls vielleicht unerreichbar, zumindest aber sehr schwer erreichbar gewesen wären. Fliegen als ein Ausdruck von Freiheit?
Beim Lesen drängt sich der Gedanke auf, dass in „Jeremy
Golden“ mehr Hintergründe stecken, als auf den ersten Blick ersichtlich sind. So
zum Beispiel in folgender Szene:
Schaudernd hörte Jeremy, wie irgendwo unter ihnen etwas
platschend ins Wasser eintauchte. „ Ich ... ich kann nicht schwimmen“ stammelte
er. „Du hättest es besser lernen sollen“, sagte Ivy. „Ich hab’s ja versucht,
aber der Bademeister-„ Er brach ab.
Die Stelle macht stutzig. Sie wurde so kurz angesprochen und gleich wieder
abgebrochen, dass sich der Verdacht aufdrängt, als stecke real mehr dahinter.
Zumindest hat man kein gutes Gefühl, wenn man an diesen Bademeister denkt.
In „Ghost Mountain“ trifft Jeremy seine verstorbene Mutter. Die Begegnung ist recht kurz, bei der Verabschiedung versucht Jeremy mit keinem Wort, das Weggehen seiner Mutter zu verhindern oder zumindest herauszuzögern. Was den Leser im ersten Moment vielleicht etwas ratlos zurück lässt, wird bei näherer Betrachtung jedoch um so klarer; Jeremy hatte keine Möglichkeit, sich von seiner Mutter zu verabschieden. Der damalige Verlust war wie ein kalter Bruch. Durch dieses Abschied nehmen jedoch gewinnt Jeremy innere Freiheit.
Im Laufe der Geschichte tauchen immer wieder und
überwiegend weibliche Figuren auf. Und viele dieser weiblichen Figuren spiegeln
eindeutig Jeremys Stiefmutter Rita in all ihrer Kälte und Hartherzigkeit Jeremy
gegenüber wieder – allen voran die Herrin Katharga in Sky City, die negatives
und abstoßendes Verhalten in all seinen Facetten aufzubieten hat. Immer
deutlicher wird im Laufe des Romans auch Jeremys gestörtes Frauenbild, welches
mit einen zentralen Inhalt des Buches bildet. Ein Frauenbild, welches
offensichtlich durch Ritas Verhalten geschürt wurde. Selbst in der Einleitung
ist bei Jeremys Spiel mit dem Schattentheater sein innerer Kampf gegen Rita
nicht zu übersehen.
Doch auf der anderen Seite tauchen auch immer wieder Personen und Wesen auf, die
Jeremys problematisches Verhältnis zu Frauen durch Hilfsbereitschaft,
Ehrlichkeit, Zuneigung, Freundschaft und liebevolle Zuwendung deutlich
verbessern. Und auch dies trägt offensichtlich zu seiner inneren Befreiung bei.
In Sky City überschlagen sich die Ereignisse förmlich; man
hat das Gefühl, als sei die Lösung zum Greifen nah. Angela Sommer-Bodenburg ist
etwas gelungen, was ein Buch und die Lust am Lesen (mit) ausmacht: die Spannung
wird so gesteigert, dass man gar nicht anders kann, als weiter zu lesen.
Ereignisse spielen sich förmlich vor einem inneren Auge ab und die Stimmungen
und Empfindungen im Buch kann man richtiggehend fühlen.
Und trotz einiger mitfühlender Situationen bleibt der Leser nicht in diesen
stecken, sondern wird mit einem Schmunzeln aus der Geschichte entlassen.
Angela Sommer-Bodenburg hat es geschafft, im Laufe des
immer näherrückenden Endes der Geschichte Hintergründe, Entstehungen und
Zusammenhänge aufzulösen - und zwar so, dass es für den Leser nachvollziehbar
ist und keineswegs „erzwungen“ oder „an den Haaren herbei gezogen“ wirkt.
Anhand von „Jeremy Golden und der Meister der Schatten“ wird wieder einmal
deutlich, dass Angela Sommer-Bodenburg es schafft, Farben, Stimmungen, Orte und
Situationen lebendig zu beschreiben und die Namen der Personen und Wesen so
passend auszuwählen, als hätte sie die Geschichte tatsächlich selbst erlebt.
Es wäre schön, die Umsetzung von „Jeremy Golden und der
Meister der Schatten“ eines Tages auf der Kinoleinwand sehen zu können. Geeignet
für eine grandiose Verfilmung wäre dieser vielschichtige Phantasie-Roman in
jedem Fall!
Andy Winkler
„Kinder- und Jugendbuch-Spezial des BuchMarkts, März 2005“
„Jeremy ist nicht zu beneiden: Nach dem Tod seiner Mutter vor zwei Jahren hat sein Vater wieder geheiratet. Stiefmutter Rita und die kleine Halbschwester Tiffany machen ihm das Leben zur Hölle. Und so ist Jeremy nur zu bereit, mit dem geheimnisvollen Finlay McCain nach Greyland zu reisen, um in das ergraute Land die Farben zurück zu bringen.
Angela Sommer-Bodenburg erzählt einen fast schon klassisch anmutenden Fantasy-roman, in dem der Held aufbricht, um eine andere Welt zu retten. Zur Seite stehen Jeremy Golden, der mit Tieren sprechen kann, die Jungdrachendame Rory Fireball und Ivy, das Mädchen mit den Regenbogenhaaren.
Ein von der ersten bis zur letzten Seite gut durchkomponierter Fantasyroman mit kurzen Kapiteln und in liebevoller Ausstattung (Scherenschnitte am Anfang jeden Kapitels), der für Kinder ab zehn, aber auch für Jugendliche geeignet ist.“
Tristan: „Ein spannendes und fesselndes Buch, das gleich auf den ersten Seiten furious in die Geschichte einsteigt. Ich würde es aber erst für Kinder ab elf oder zwölf Jahren empfehlen, für jüngere ist es zu gruselig.“
Mut und Menschlickeit
Jeremy Golden – ein neuer Held am Fantasy-Himmel
Er erinnert ein bisschen an den Bastian der Unendlichen Geschichte. Auch Jeremy Golden ist ein Einzelgänger ohne gleichaltrige Freunde. Eine Art Aschenputtel noch dazu, denn seine Stiefmutter hat nur Augen für ihre eigene Tochter. Doch dann bekommt Jeremy eine große Chance und er packt sie beim Schopf.
Der graue Mann Finlay McCain holt ihn nach Greyland – weil er ein Freund der Schatten ist. Jeremy Golden soll dem grauen Land die Farben wiedergeben. Allein könnte er das nie schaffen. Aber wie in allen Fantasy-Geschichten bekommt Jeremy natürlich Hilfe. Ivy, die junge Frau mit den Regenbogenhaaren – auch sie erinnert irgendwie an die kindliche Kaiserin in der Unendlichen Geschichte – begleitet ihn auf seiner Mission und Rory Fireball, die graue Drachin.
Zusammen bestehen die drei jede Menge gefährlicher Abenteuer und zu seiner Verblüffung entdeckt Jeremy, dass er die Sprache der Tiere versteht. Das ist nicht nur hilfreich, sondern sogar lebensrettend. Denn als es in Sky City zum entscheidenden Kampf zwischen Gut und Böse kommt, ist Jeremy dank der neugierigen Ratten und des traurigen Drachen vorgewarnt.
Angela Sommer-Bodenburg, die
vor Jahren mit dem „Kleinen Vampir“ eine Erfolgsserie schrieb, hat mit Jeremy
Golden einen sympathischen Helden geschaffen, der hoffentlich noch öfter für
Spannung sorgt. Mit viel Mut und noch mehr Menschlichkeit tritt Jeremy gegen
das Böse an. Der mutterlose Junge hat sogar den Mut, sich den Schatten zu
stellen, die in Greyland selbst den Erwachsenen Angst einjagen. So viel
Tapferkeit wird natürlich belohnt. Jeremy erfüllt nicht nur seine Aufgabe, er
kehrt auch in ein ganz neues Leben zurück.
Aufregende Lektüre für Fantasy-Freunde ab 10.
li,
Augsburger Allgemeine, 12. Februar 2005
Rezension von Christoph Weidler
Der Autorin Angela
Sommer-Bodenburg ist mit "Jeremy Golden und der Meister der Schatten" eine
märchenhafte Reise ins Land der Phantasie für Jung und Alt gelungen. Die
Protagonisten Jeremy, Finlay, Ivy und Rory wachsen durch ihre liebevolle
Darstellung dem Leser sehr schnell ans Herz und die Autorin weiß mit ihrer
teils humorvollen, teils hintergründigen Geschichte zu überzeugen. Besonders
dass einem als Leser hier eine gänzlich eigene Welt mit ihren ganz eigenen
Gesetzen erwartet und verzaubert, hat mich das Buch regelrecht verschlingen
lassen. Trotz vielen phantastischen Elementen, bringt die Autorin aber auch
Werte wie Selbstbewusstein, Selbstvertrauen, Verantwortungsgefühl und
Freundschaft in diesem Buch gekonnt herüber, die so dem jungen Leser liebevoll
nahegebracht werden.
"Jeremy Golden und der Meister der Schatten" ist ein gelungener Roman für Jung
und Alt. Man kann sich zukünftig nur noch mehr Bücher dieser Art von der
Autorin Angela Sommer-Bodenburg wünschen.
http://www.fantasyguide.de/taverne/rezens/jeremygolden.htm
Ein phantastischer
Lesegenuss!
Ein Junge auf einem grünen Drachen fliegt direkt aus dem Bucheinband dem Leser
entgegen. Das ist Jeremy Golden!
Der neue Roman für 10-Jährige der
Bestseller-Autorin Angela Sommer-Bodenburg geht unter die Haut. Virtuos spielt
sie mit der archaischen Sprache und den Motiven der klassischen Phantastik.
„Jeremy Golden und der Meister der Schatten“ überzeugt neben einer spannenden
Abenteuerhandlung durch eine psychologische Ebene, die Angela Sommer-Bodenburg
geschickt eingewoben hat. Die Traurigkeit des Helden spiegelt sich im Verlust
der Farben der Außenwelt wider. Nur wenn er seine Lebensfreude wiederfindet,
kehren auch die Farben zurück.
Für diesen starken Phantastik-Roman in der Tradition eines Michael Ende hat sich
der Thienemann Verlag eine besonders opulente Ausstattung ausgedacht: Den
Schmöker ummantelt ein goldenes Cover mit feinstgezeichneten Motiven, die im
Roman eine Rolle spielen. Die Kapitel sind mit aufwändigen Anfangsvignetten im
Scherenschnitt-Stil ausgestattet.
Das Ergebnis: Über 400 Seiten mitreißende Phantastik, die auch Erwachsene
überzeugen wird.
So etwas hätte Jeremy Golden sich nie träumen
lassen! Eines Tages, nachdem seine Stiefmutter ihm mal wieder die Hölle heiß
gemacht hat, steht plötzlich eine graue Gestalt in seinem Zimmer. Alles an
diesem Mann ist grau: seine Haut, seine Haare, seine Fingernägel, seine
Kleidung. Die graue Gestalt heißt Finlay McCain und stammt aus Greyland, einem
Land, das vollkommen grau geworden ist, seit es seine Farben verloren hat.
Finlay bittet Jeremy mit ihm mitzukommen, nur er könne die Farben nach Greyland
zurückholen.
Jeremy Golden kann sein Glück kaum fassen. Noch nie hat ihm irgendjemand gesagt,
dass er etwas Besonderes vermag. Seit seine Mutter gestorben ist, war überhaupt
schon lange niemand mehr so freundlich zu ihm wie Finlay McCain. Jeremy muss
deshalb nicht lange nachdenken und bricht mit ihm nach Greyland auf. Sie reisen
mit einem Heißluftballon, der von Rory Fireball, einem Drachenmädchen,
angefeuert wird. Zu seinem Erstaunen kann Jeremy mit dem Drachenmädchen
sprechen. Und nicht nur das: Auch die Sprache der Vögel, die vorbeifliegen, kann
er verstehen. Ein unglaubliches Abenteuer beginnt ...